Seite wählen

Unterstützen ist oft etwas gänzlich anderes als Helfen-wollen. Denn: Unterstützen greift unter die Arme, Helferdrang übernimmt das Lösen und raubt den Erfolg. Die Unterstützung wird für die Richtung gegeben, in die derjenige selbst möchte. In der Stärke, die derjenige wirklich haben will. Und so lange, bis derjenige selbst merkt und anzeigt, dass er ab jetzt allein weiter gehen möchte, weil er fühlt, dass er es kann. Unterstützen statt Helferdrang vermeidet also die Übergriffigkeit des Helfens, die leicht entstehen kann, wenn der Nutzen des Helfens sich auf den Helfer verlagert hat.

Ich bin absolut sicher, dass der Baum in dem Bild mich gar nicht braucht, um sich in dieser Schräglage zu halten. Und wenn er sich wirklich nicht allein halten könnte, wäre ich eher Opfer denn Hilfe.

Es stellt sich also immer die Frage: Was möchte der Mensch selbst denn, der vor uns steht?

Fragen erspart viele Meinungen, Ansichten und Behauptungen. Und noch mehr ersparen wir uns durch gezielte Fragen, was denn gewünscht und wirklich gebraucht wird, Verletzungen auf beiden Seiten!

Was will der Baum von mir?

Nichts. Schlicht gar nichts. Ich werde von ihm nicht gebraucht. Damit kann ich gut leben. Denn ich weiß, dass ich ihn weder unterstützen noch ihm helfen kann.

Diese Hilfe wäre mir schon physisch zu schwer. Ich könnte sie nicht leisten, weil ich nicht die nötige Kraft habe. Auch dann nicht, wenn ich direkt im Fitnesscenter leben würde, wozu ich nicht bereit bin.

Und auch darum geht es.

Nicht nur: Was braucht oder will mein Gegenüber genau von mir?

Sondern auch: Bin ich wirklich in der Lage, das auch anzubieten? Kann ich ihn unterstützen, indem ich das gebe, was er in dem Moment erfragt, braucht, an sich heranlassen kann?

Passe ich ausreichend auf, dass ich ihn nicht etwa mit gutgemeinten, aber nie erbetenen „Hilfestellungen“ erschlage, die womöglich auf ihn gar nicht zutreffen? Kann ich mein Gegenüber unterstützen statt Helferdrang zu „bieten“?

Ungewollte Hilfe kann erschweren

Da fällt mir ein Vorfall ein, den ich in Berlin erlebte. Ich stand an einer Ecke des Kudamms, da fiel mir eine ältere Dame auf, die es gerade noch so geschafft hatte, den Zebrastreifen wenigstens bis zur Mitte zu überqueren. Dort stand sie etwas atemlos und versuchte sich zu erholen.

Plötzlich geschah etwas Seltsames.

Ein junger Mann hatte sich neben die alte Dame gestellt, sprach mit ihr, lächelte freundlich-bestimmt, ergriff ihren Arm und begleitete die offenkundig mühsam widerstrebende Frau mit der zuversichtlichen MieneIch regele das mal“ über die Straße.

Und zwar auf jene Straßenseite, auf der ich stand. Ich war verblüfft, denn von hier aus war sie ja gerade erst auf die Mittelinsel gegangen. Dann lächelte er ihr zu, stolz auf seine eigene Hilfe, winkte lässig und ging forschen Schrittes weiter. Die Überlegung, wirklich zu unterstützen statt Helferdrang zu beweisen, war ihm offenkundig völlig fremd.

Ich ging zu ihr hin und sah, dass sie Tränen in den Augen hatte. „Was ist denn passiert?“ Sie erzählte, dass er nicht habe hören wollen, er habe sie einfach gezogen. Und jetzt käme sie zu spät zum Arzt und dann sei der sicher böse.

Statt helfen – fragen – vorschlagen

„Wo ist denn Ihr Arzt?“ Sie zeigte mit der Hand in die Richtung: „Wenn ich den Kudamm geschafft hätte, hätte ich noch zehn Minuten laufen müssen, dann hätte es gerade so gereicht. Aber so…?“. Wieder eine Träne kullerte.

„Ich mache Ihnen einen Vorschlag: Gleich hier vorn ist mein Wagen, ich bringe Sie hin und erkläre das dem Kollegen auch gern, dass Sie unschuldig sind. Ich zeige Ihnen jetzt meinen Arztausweis, damit Sie nichts befürchten müssen. Hilft Ihnen das?“.

Nach anfänglicher Schüchternheit nahm sie die Hilfe gern an und ich brachte sie hin. Ihre Dankbarkeit kam aus tiefstem Herzen. Als ich ihr sagte, dass sie mir auch etwas gegeben habe, staunte sie. „Ich? Wieso?“ „Ihre Dankbarkeit verschönt mir den Tag.“ Ihre Lippen zitterten, als sie zu lächeln versuchte, dann umarmte ich sie und ging.

Ich war für diese kleine Hilfe so reich belohnt worden.

Ist es wirklich so schwer, erst einmal zu fragen?

Warum fragte er nicht?

Ich unterstelle diesem jungen Mann gar keinen bösen Willen. Vielleicht war ihm gar nicht klar, dass wer wirklich helfen will, auch wissen sollte, dass es stets die bessere Wahl ist, den anderen in dessen Wunsch zu unterstützen statt Helferdrang zu zeigen.

Hinter diesem „Ich regele das mal“ kann durchaus „beste Absicht“ stehen, auch die eigene Zuversicht „Das hilft ihr doch!“.

Jedoch kann diese Absicht allein nicht das Ziel erreichen. Solange sie nur von der Sicht des „Helfers“ ausgeht, kann sie eben auch einmal keine Unterstützung sein. Und dann geht die Hilfe am Ziel, dem anderen Menschen vorbei und ist somit keine.

Das ist ja keineswegs ein Einzelfall. Vielleicht haben Sie das auch einmal bei sich selbst erlebt?

Die Freude und Dankbarkeit nach echter Unterstützung wiegt so viel auf.

Und das Schöne ist: Geber und Nehmer haben beide so viel davon. Wer ist dann der Geber? Und wer der Nehmer?

Ist nicht gerade das das Schöne, dass sich nach einer „echten, gewollten“ Unterstützung beide bereichert fühlen?

Der Selbst-TÜV hat‘s in sich!

Wie viel mehr an positiven Effekten haben Sie, wenn Sie sich selbst prüfen, wie viel Sie von dem wirklich wahrnehmen können, was andere Ihnen zeigen! Ohne zu werten.

Und diese Wahrnehmungen durch Fragen an andere mit deren Antworten und den neuen Erfahrungen „auspolstern“ können!

Der Wert dieses Selbst-TÜVs liegt darin, dass alles, was Sie durch Ihre Erfahrungen mit anderen wahrnehmen, auch für Sie noch viele wichtige und neue Hinweise enthalten kann, worin Sie sich noch verbessern können. Auch beim Unterstützen anderer.

So bewirkt der Selbst-TÜV, dass Sie auch mehr über sich selbst erfahren, mehr Optionen an Handlungsmöglichkeiten in den verschiedensten Situationen auf der Hand haben. Dann können Sie Ihre Gegenüber leichter gezielt unterstützen statt Helferdrang zu verspüren, der ja auch für Sie nichts brächte. Unterstützen bringt einfach mehr Freude! Und die ist nie einseitig.

Wann wird ‚Helfen‘ übergriffig?

Übergriffiges Verhalten zeichnet sich auch durch eine gewisse Distanzlosigkeit oder auch Abstandslosigkeit aus. Das Recht auf Distanz ist auch ein Recht auf Raum für die eigene Persönlichkeit.

Distanz ist also zunächst nur ein Abstand. Nicht mehr und nicht weniger. Sie wird oft mit Kühle oder Ablehnung gleichgesetzt, was sie nicht „von Haus aus“ ist.

Diese Emotionen können aufkommen, besonders, wenn die eigene Distanz vom Gegenüber unerlaubt unterschritten wird, also jemand übergriffig wird.

Nicht jeder ist absichtlich übergriffig. Hier hilft oft schon ein freundliches Zeichen. Andere Menschen wirklich zu unterstützen statt Helferdrang zuzulassen, will auch gelernt sein.

Manche übergriffige Verhaltensweisen bedienen sich einer angeblichen Vertrautheit, sind auf einer ausschließlich selbst konstatierten Augenhöhe, über die sich diejenigen verblüffend schnell im eigenen Interesse „überheben“ können.

Unerwünschte Nähe ist immer auch ein Zeichen für fehlenden Respekt und nie ein Recht. Das gilt für jeden.

Hilfsbereitschaft ist wichtig

Ich möchte hier einmal ausdrücklich betonen, dass echte Hilfsbereitschaft und der Wille Hilfe zu geben, etwas sehr, sehr Positives und Wünschenswertes sind. Gerade die Helferberufe fordern so viel von den Helfenden, dass ich es ganz wichtig finde, dieser Bereitschaft zu helfen und auch den erforderlichen Fähigkeiten, die in langen, oft mühsamen Jahren erworben werden müssen, allen Respekt und tiefen Dank zu zollen.

Das ist wichtig, auch um zu verstehen, worum es hier geht. Nicht helfen als solches ist übergriffig. Sondern das ungefragte Helfen. Jenes: „Ich weiß schon, was Du brauchst!“, und das, ohne vorher zu fragen. Was ich nach wie vor ganz gruselig finde. Genau darunter kann sich jener Helferdrang verbergen, der kein Unterstützen sein kann, weil er nur eigene Ziele verfolgt.

Übergriffe gelassen sehen

Um gelassen sein zu können, hilft es fast immer, sich klar zu machen, dass auch Ihr Gegenüber – genau wie Sie selbst – tun kann, was er für richtig hält. Unabhängig von Ihnen. Auch er hat automatisch die Verantwortung für seine Handlungen.

Wie Sie mit etwas umgehen wollen, können Sie ebenso unabhängig davon überlegen. So ersparen Sie sich das reflektorische Re-agieren und können Ihre eigene Überzeugung gelassen leben, ohne sich zu ärgern. Warum auch? Es ist ja nicht Ihre Übergriffigkeit.

Für Sie sicher hilfreich ist daher die Überlegung: Wie wollen Sie selbst damit jetzt umgehen? Welche Optionen sehen Sie für sich selbst?

Schaffen Sie eine durchdachte ruhige Reaktion? Haben Sie da etwas für solche Fälle eintrainiert, sozusagen „auf Lager“? Oder verlockt es Sie noch, sofort die Zähne zu fletschen und zurück zu knurren? Womit Sie dann jedoch zeigen würden, dass Sie damit nicht gelassen umgehen können. Lohnt sich das?

Abwehren oder elegant stoppen?

Das kommt auf die Person an, die übergriffig wurde. Besteht Ihrerseits kein Interesse, erledigt sich das durch einen kurzen, eindeutig stoppenden Hinweis.

Ist Ihnen diese Person oder die Beziehungen untereinander wichtig und Sie wollen hier überlegt handeln, haben Sie mehrere Optionen.

Häufiger als angenommen können Sie das mit demjenigen freundlich und schnell klären. Jeder hat seine Position und jeder akzeptiert die des anderen. Dann suchen beide Seiten nach einem guten Konsens und gemeinsamen Verstehen. Mit ein bisschen Training ist dies oft sogar sehr gut zu erreichen.

Beim Abwehren wird häufig überdimensioniert mit Kanonen auf Spatzen geschossen. Zudem ist dies ein reflektorisches Re-agieren, dass dem Gegenüber zeigt, dass Sie keine besonnenere Aktion „auf Lager“ haben.

Was wäre für Sie eine elegante Version, die allen Beteiligten Raum für Gesichtswahrung lässt? Vielleicht können Sie ganz freundlich und ruhig aufzeigen, dass Sie darin eine Übergriffigkeit wahrnehmen, die „so ja sicher nicht beabsichtig sei“?

Nicht alle wollen übergriffig sein. Oder merken es überhaupt. Und sind wir selbst so frei davon?

Das Spiel mit Haltung und Wirkung

Was bewirkt in Ihren Augen am meisten? Ohne, dass Sie sich zu sehr öffnen müssen, sich zu sehr echauffieren und mehr Zeit verschleudern, als es der Übergriff überhaupt wert ist! Das hieße, nur die Negativseite des Helferdrangs selbst so richtig auszuleben.

Im Grunde wissen wir meistens selbst, dass sich darüber aufzuregen nur eine Abwärtsspirale im Ärger ist. Ohne Nutzen und schon dreimal ohne Bremswirkung für die Übergriffigen.

Daher kann es Ihnen sehr helfen, sich selbst zu beobachten, als blickten Sie von außen auf sich. Welche Emotionen und Veränderungen bemerken Sie an sich selbst? Was zeigen Sie primär? Und wie erleben Sie sich nach ein wenig Nachdenken?

Wie reagieren Sie also nach außen? Schnell „aus dem Bauch“ heraus? Oder nachdenklich und langsamer?

Ganz wichtig: Wie ist Ihre Haltung dazu? Was sind Ihre Überzeugungen, Ihre Grundwerte dazu? Und wie wollen Sie wirken?

Und die heitere Seite?

Heiter bis sogar komisch wird etwas, wenn Sie durch eine neue Sichtweise oder einen Ihnen bisher ungewohnten Blickwinkel etwas erkennen, wodurch Sie auch über sich selbst lachen können.

Ooops, das mache ich ja auch…!“. Sieh an! Dann sieht oft alles schon viel weniger empörend aus. Sie kommen auf den Teppich zurück. Sie gewinnen Bodenhaftung, die Waagschale richtet sich wieder in der Mitte aus – Sie werden toleranter.

Haben wir nicht selbst schon mal im Übereifer, einem anderen helfen zu wollen, das Unterstützen etwas übertrieben? So aus voller Überzeugung und einer innerlichen Hilfsbereitschaft gesagt: „Dann musst Du so…“ oder „Dann kannst Du doch das…“, ohne zu bedenken, dass auch das schon eindeutig im Entscheidungsbereich des Anderen liegt?

Erfahrung als Trittstein für Toleranz

Sobald Sie eine solche Übertreibung offen eingestehen und jenes „Zuviel“ zurücknehmen, ist das korrigiertes Unterstützen statt Helferdrang. Was Ihren Stil und Ihr Rückgrat zeigt.

Gerade solche Fehler sind die Erfahrungen, die zu Trittsteinen für Toleranz und menschlichen Erfolg werden. Auf ihnen können Sie stehen und wieder ein bisschen dazulernen, wie Sie Ihre Fehler, noch dazu lächelnd, zugeben und korrigieren können. Wodurch Sie menschlicher und offener erscheinen.

Melden Sie sich gern bei mir, wenn Sie mich an Ihrer Seite haben möchten, wenn Sie Ihren eigenen Umgang mit Unterstützung überprüfen möchten. Wir finden sicher gemeinsam einen praktikablen Weg, der Ihnen zusagt.